Abschiebungen nach Afghanistan stoppen!

Veröffentlicht am

Knapp 40 Teilnehmer*innen waren bei der Online-Konferenz „Abschiebungen nach Afghanistan?“ organisiert vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, dabei. Die Konferenz fand im Rahmen der Kulturwochen Afghanistan statt. Die Ethnologin und Gerichtsgutachterin Friederike Stahlmann aus Halle berichtete dort von ihrer aktuellen Studie über Menschen, die bis dato nach Afghanistan abgeschoben worden sind. Da die Studie erst im Dezember 2020 erscheint, werden in diesem Artikel keine Zahlen genannt.

Ein*e der Teilnehmer*innen der Online-Konferenz erzählt: „Ich wusste bereits vorher, dass Afghanistan nicht sicher ist. Jetzt nochmal im Detail zu hören, was mit den Menschen passiert, die nach Afghanistan abgeschoben werden, war sehr bedrückend.“

Die aktuelle Lage in Afghanistan: Eskalierende Gewalt, organisierte Kriminalität und eine sich ausweitende Pandemie. Dies sind nur einige der äußeren Umstände.
Viele Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben werden, haben dort keinen Kontakt zu ihrer Familie und Freunden. Sie werden verfolgt und haben Angst, dass sie auch ihre Liebsten in Gefahr bringen, wenn sie doch Kontakt zu ihnen aufnehmen sollten. Viele leben deshalb auf der Straße, sind einsam und verzweifelt.
Einige, die trotzdem versuchen von Kabul aus zu ihren Familien zu gelangen, werden bei Straßenkontrollen der Taliban abgefangen. Die Taliban sieht die Flucht nach Europa mit Misstrauen und reagiert mit Drohungen und Gewalt. Oftmals wissen sie über die Sozialen Netzwerke genauestens über den Aufenthalt und das Land der Zufluchtssuche Bescheid.

Da Menschen, die abgeschoben worden sind, keine Perspektive zum Weiterleben in Afghanistan haben, fliehen viele ein zweites Mal.  Eine mögliche Inhaftierung, eine erneute Abschiebung oder der Tod auf dem Mittelmeer scheinen dann in einer ausweglosen Lage die geringeren Bedrohungen zu sein.

Wer abschiebt, weiß, dass er Menschen in Gefahr bringt, sie in Verzweiflung stürzt, dass er Obdachlosigkeit, Einsamkeit und Elend schafft.

Auf der Innenminister-Konferenz im Dezember 2020 in Weimar steht wieder einmal die bundesweite Ausweitung von Abschiebungen nach Kabul auf der Tagesordnung. Seit 2017 finden Abschiebungen nach Afghanistan statt. Ständig wird in Deutschland darüber diskutiert, ob Afghanistan sicher genug ist, um Menschen dorthin abzuschieben oder nicht. Laut Global Peace Index 2020 ist Afghanistan bereits das zweite Jahr in Folge das unsicherste Land der Welt – noch vor Syrien. Immer wieder finden trotzdem Sammelabschiebungen statt. Eine Sammelabschiebung aus Deutschland, die für letzten Montag (16.11.2020) geplant war, fand glücklicher Weise nicht statt. Dies bedeutet für die Betroffenen jedoch nur ein kurzes Aufatmen.

 „Für die meisten Afghan*innen ist der Weg zur Anerkennung lang und steinig, immer mit der Angst der Abschiebung im Nacken. Generationen sind traumatisiert, entwurzelt und heimatlos. Dabei geht es ihnen darum endlich anzukommen, um in Sicherheit leben zu können und eine Perspektive für ihre Zukunft zu haben“, sagt Idun Hübner von der ZBBS. Seit Jahren werden Geflüchteten aus Afghanistan Steine in den Weg gelegt, die das Ankommen in Deutschland fast unmöglich machen: Der Zugang zu Integrationskursen wird erschwert. Direkt nach der Ankunft die deutsche Sprache zu lernen und neue Kontakte zu knüpfen, ist so fast unmöglich. Zusätzlich ist die arbeitsrechtliche Situation komplex, oft schrecken potentielle Arbeitgeber*innen deshalb vor einem Beschäftigungsverhältnis zurück. Sicher Ankommen und eine Perspektive für die Zukunft zu haben, sieht anders aus.

Wie hoch der Leidensdruck der Menschen, die auf der Suche nach einem sicheren Leben sind, sein kann und zu welchen Verzweiflungstaten manche bereit sind, zeigt auch der Versuch eines 21-jährigen Geflüchteten aus Afghanistan unter einem LKW auf das Hafengelände am Norwegenkai zu gelangen. Vermutlich wollte er so über eine Fähre nach Norwegen oder Schweden fahren. Er hat dabei mit seinem Leben bezahlt.

Wir werden nicht müde, es zu wiederholen: #AfghanistanNotSafe #WirHabenPlatz #LeaveNoOneBehind

 

Weitere Informationen:
Abschiebe Pläne der EU: https://www.proasyl.de/news/afghanistan-abschiebeplaene-der-eu-fuer-das-gefaehrlichste-land-der-welt/?fbclid=IwAR3QQKz6Xgnd1iN0anhcvWb2fcJpZjO8Py971nktjs4XaSiomtIdSnRJIOY

Stellungnahme des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein zur Verzweiflungstat des 21-Jährigen Geflüchteten aus Afghanistan:
https://www.frsh.de/artikel/fehlende-beratung-riskiert-verzweiflungstaten/

Veröffentlicht am
Cookie Consent mit Real Cookie Banner Skip to content