Aktionstag der „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“
Menschen, die ein neues Leben in Deutschland beginnen, stehen oft vor wichtigen Fragen und Entscheidungen für ihre persönliche Zukunft: Wo und wie kann ich Deutsch lernen und/ oder mit meiner im Ausland erworbenen Ausbildung in Deutschland arbeiten? Wie funktioniert das System in Deutschland und welche Rechte habe ich? Wie kommuniziere ich mit den Behörden oder kann meine Familie nachholen?
Seit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes 2005 gibt es deshalb die „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ ab 27 Jahren, kurz MBE, begleitend zu den Integrationskursen auch bei uns in der ZBBS. Die Beratung leistet einen wichtigen Beitrag für die soziale, ökonomische, kulturelle und politische Teilhabe der Migrant*innen. Viele, die in der ZBBS an einem Deutschkurs teilnehmen, waren schon mal mit einem Anliegen in der MBE.
Der Beratungsbedarf steigt enorm. Im letzten Jahr betreuten unsere Kolleginnen Ute Afane und Maria Skoruppa 400 Klient*innen, etwa doppelt so viele wie vor drei Jahren. Trotzdem soll das Programm rapide gekürzt werden. „Wenn 2023 deutlich weniger Geld für die MBE zur Verfügung steht, wird es unmöglich sein den vielen Anfragen gerecht zu werden“, befürchtet Ute Afane.
Ein wichtiges Instrument in der Einzelfallberatung ist eine bedürfnisorientierte Unterstützung, das sogenannte Case Management. Unsere Beraterinnen führen dazu zunächst Sondierungsgespräche durch, um die Bedürfnisse der Ratsuchenden zu erfassen. Um Kenntnisse und Fähigkeiten zu erkennen, ist oft eine Sozial- und Kompetenzanalyse erforderlich. Auf Basis dieser erstellen die Beraterinnen gemeinsam mit den Ratsuchenden einen individuellen Förderplan. Er enthält einen konkreten Handlungsplan und Ziele. Generell soll er die Kompetenz zur Problemlösung stärken und unterstützen mehr Selbstständigkeit zu erlangen. Die MBE-Beraterinnen koordinieren alle vereinbarten Schritte, vermitteln – wenn es nötig ist – weiter und unterstützen. Wie so ein Case Management aussieht, zeigt das folgende Beispiel:
Herr L. aus Ghana ist vor vier Jahren mit seinem Kind nach Deutschland gekommen. Seine Ehefrau ist noch in Griechenland und kann aufenthaltsrechtlich noch nicht zu ihrer Familie kommen. Herr L. hat im letzten Jahr aufgrund der Pandemie seine Arbeitsstelle verloren. Die Sicherung des Lebensunterhalts für Vater und Kind war dringend notwendig. Die MBE-Beraterinnen unterstützen ihn bei der Antragstellung auf ALG I und Kindergeld. Im Laufe der Beratung wurden weitere Überlegungen zur Perspektive in Deutschland und ein Handlungsplan aufgestellt. Dazu zählten: Der Antrag auf Zulassung zum Integrationskurs und anschließend Anmeldung zum Kurs; Recherche mögliche Maßnahmen der Agentur für Arbeit, um weitere Qualifizierung und folgend entsprechende Tätigkeiten zu ermöglichen; Voraussetzungen für das Ziel der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) wurden abgeklärt und eine gemeinsame Planung zur Erreichung dieses Ziels aufgestellt. Außerdem wurde Herr L. in weitere Unterstützungsangebote vermittelt.
Eine so umfangreiche und enge Betreuung ist nicht für alle Ratssuchenden möglich. „Oft sind wir nur die Feuerwehr. Wir löschen den Brand, also helfen im Notfall“, sagt Maria Skoruppa. „Viel Zeit, um detailliert die Zukunft gemeinsam mit den Menschen zu planen, bleibt da leider nicht.“ Besonders im letzten Jahr haben die MBE-Beraterinnen aufgrund der Pandemie sehr viele Anfragen von Klient*innen bekommen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und denen deshalb auch ein Wohnungsverlust drohte. Auch den Familiennachzug hat die Pandemie unmöglich gemacht beziehungsweise sehr erschwert. „Viele Ratsuchenden haben nicht nur eine, sondern viele Schwierigkeiten, bei denen sie Unterstützung benötigen“ sagt Ute Afane.
Die deutschen Behörden machen es Menschen, die das System noch nicht verstehen, nicht einfacher: Oft gibt es keine Sprachmittler*innen oder Übersetzungen; wichtige E-Mails und Briefe müssen von den Ratsuchenden schnell und korrekt beantwortet werden; das Verständnis seitens der Behörden ist oft nicht vorhanden. Regeldienste können nur zum Teil auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Die Arbeit der MBE ist daher wichtiger denn je! Eine Kürzung des Programms wäre nicht nur für die Ratsuchenden fatal.