Die Brandmauer ist gefallen – ein Tabubruch mit fatalen Folgen

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KUNDGEBUNG heute!
30.01. 17 Uhr
Gegenüber CDU-Zentrale
Sophienblatt 44-46
Kiel

Gestern war ein dunkler Tag für unsere Demokratie. 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und – besonders perfide – wenige Stunden nach einer Bundestags-Gedenkstunde zum gleichen Thema haben CDU/CSU und FDP gemeinsam mit der AfD für einen Antrag gestimmt, der grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien und Menschenrechte außer Kraft setzt. Die sogenannte Brandmauer zwischen CDU/CSU und der extremen Rechten existiert faktisch nicht mehr. Sie ist nicht nur eingerissen – sie ist gefallen.

Was gestern beschlossen wurde, ist ein direkter Angriff auf unseren Rechtsstaat und unsere humanitären Grundwerte. Die CDU/CSU hat ihr rassistisches und faktisch rechtswidriges Migrationspaket mit den Stimmen der AfD durchgesetzt. Geflüchtete werden pauschal als Bedrohung inszeniert, um politische Zustimmung zu gewinnen. Die Union übernimmt mit diesem Antrag nicht nur die Sprache der extremen Rechten. Sie übernimmt deren Positionen und treibt eine Stimmung der Angst und Spaltung voran.

Der Antrag will eine pauschale Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Binnengrenzen durchsetzen – sogenannte Pushbacks, die gegen EU- und Völkerrecht verstoßen. Das Kalkül: Recht wird ignoriert, Grenzen dicht gemacht, die Schengen-Freizügigkeit zerlegt, Grundgesetz, Völker- und Unionsrecht zur Seite geschoben. Damit soll ein Dominoeffekt entstehen: Alle anderen Mitgliedstaaten sollen gezwungen werden, die gleichen rechtswidrigen Maßnahmen zu ergreifen – bis hin zu den EU-Außengrenzen.

Die geforderte Inhaftierung aller ausreisepflichtigen Personen ist ein direkter Bruch mit internationalen Menschenrechtskonventionen. Menschen ohne Straftatbestand pauschal in Haft zu nehmen, ist eine Methode autoritärer Regime. Um diesen Tabubruch zu rechtfertigen, missbraucht die Union den Begriff der „Notlage“. Juristisch ist diese Argumentation nicht haltbar. Die CDU/CSU nimmt eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof aber bewusst in Kauf, um trotzdem Fakten zu schaffen.

Gleichzeitig wollen sie der Bundespolizei die Befugnis geben, selbstständig Haftanträge zu stellen – ein fundamentaler Bruch mit dem deutschen Rechtsstaat. Die Trennung von Polizei und Justiz ist eine Lehre aus der NS-Zeit und darf nicht ausgehöhlt werden.

Besonders perfide ist die geplante Zerschlagung des Rechts auf Familienzusammenführung. Der Antrag beinhaltet den Ausschluss der Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte. Das bedeutet, dass geflüchtete Familien auf unbestimmte Zeit getrennt bleiben. Dieser Beschluss verstößt gegen das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und die UN-Kinderrechtskonvention.

Die Konsequenzen dieses Tabubruchs sind gravierend. Indem die CDU/CSU mit der AfD gemeinsame Sache macht, legitimiert sie deren Politik und öffnet rechtsextremer Ideologie den Weg in den Mainstream. Die AfD feiert entsprechend diesen historischen Tag: „Jetzt beginnt eine neue Epoche. Das führen wir an, das führt die AfD an. Sie können folgen, Herr Merz.“ (Bernd Baumann, AfD). Auch auf europäischer Ebene wird diese Entscheidung nicht folgenlos bleiben. Mit diesem rein nationalistischen Ansatz des mächtigsten Mitgliedslandes der EU droht das bestehende europäische Asylsystem zusammenzubrechen. Die einst stolze Europapartei CDU ist unter der Führung von Merz bereit, das Projekt Europa nachhaltig zu schädigen.

Doch die gefährlichste Folge ist die Erosion demokratischer Prinzipien. Die bewusste (!) Zusammenarbeit mit der AfD zeigt, dass für die CDU/CSU rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards zweitrangig geworden sind. Der Dammbruch ist vollzogen. Es ist mehr als ein politisches Signal. Die Zusammenarbeit mit einer rassistischen und rechtsextremen Partei, die unsere demokratischen Werte verachtet, öffnet den Weg für die nächsten Tabubrüche: Mehrheiten beschaffen mit Rechtsextremistinnen, Zusammenarbeiten mit Rechtsextremistinnen, Koalitionen bilden mit Rechtsextremistinnen, Regieren mit Rechtsextremistinnen. Wer mit der AfD gemeinsame Sache macht, legt die Axt an die Grundpfeiler unserer diversen und offenen Gesellschaft. Menschenwürde, Gleichberechtigung und demokratische Werte gelten nicht mehr für alle Menschen, nicht mehr für Geflüchtete und Migrant*innen, nicht mehr für diejenigen, die zum Sündenbock für irgendwelche Missstände auserkoren werden. Die CDU/CSU haben sich bewusst entschieden, für kurzfristige politische Vorteile mit einer Partei zu stimmen, die die Erinnerung an die Shoah relativiert, die Menschenrechte missachtet und täglich demokratische und humanistische Werte mit Füßen tritt. Wer 80 Jahre nach Auschwitz einen solchen Pakt eingeht, zeigt, dass die historische Verantwortung in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Wir dürfen nicht schweigen. Wir dürfen nicht zulassen, dass rechtsextreme Narrative den politischen Diskurs weiter bestimmen.
Wenn die Rechte einzelner Gruppen angegriffen werden, ist unsere gesamte Gesellschaft in Gefahr. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung rufen wir dazu auf, die Würde schutzsuchender Menschen zu verteidigen – denn nur so bleibt die Menschenwürde unantastbar und gilt für uns alle!

Es liegt an uns allen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Die Geschichte hat uns gelehrt, wohin Schweigen und Wegsehen führen. Demokratie ist kein Naturgesetz – sie lebt nur, wenn wir sie verteidigen. Wir müssen laut sein, wir müssen sichtbar sein, wir müssen Widerstand leisten!
Organisiert euch in Initiativen, geht auf die Straßen, sprecht mit euren Mitmenschen, widersprecht rassistischen und menschenverachtenden Parolen, wo immer sie auftauchen. Wählt bewusst und distanziert euch von denen, die unsere Demokratie in Gefahr bringen. Unterstützt Organisationen, die für Solidarität und Menschenrechte kämpfen. Schreibt an eure Abgeordneten, zeigt ihnen, dass diese Politik nicht in eurem Namen geschieht.

Wir stehen an einem Scheideweg. Entweder wir lassen zu, dass die Grundlagen unserer Demokratie weiter zerfallen, oder wir verteidigen sie mit aller Kraft. Wir haben eine Verantwortung – gegenüber der Vergangenheit, gegenüber der Gegenwart und vor allem gegenüber der Zukunft.

Nie wieder ist jetzt.

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