Über 80 Organisationen, Einrichtungen und Vereine appellieren mit diesem offenen Brief an Sie und erwarten, dass Sie sich in den Koalitionsverhandlungen entsprechend der sozialdemokratischen Grundwerte für die Rechte von Schutzsuchenden und gegen eine Politik der Abschottung einsetzen!
Hallo liebe SPD!
Hallo Tim Klüssendorf, Bettina Hagedorn, Serpil Midyatli, Delara Burghardt, Nina Scheer, Ulf Kämpfer und Ralf Stegner,
allein in Schleswig-Holstein haben sich 23 Kommunen, Gemeinden und Städte zu sicheren Häfen für Schutzsuchende erklärt. Wir freuen uns, dass sich so viele Menschen und Gemeinden solidarisch zeigen und hoffen, dass auch Sie sich als Vertreter*in unserer Gesellschaft für eine menschenrechtsbasierte und solidarische Migrationspolitik einsetzen.
Die unterzeichnenden Organisationen und Personen appellieren mit diesem offenen Brief an Sie und erwarten, dass Sie sich in den Koalitionsverhandlungen entsprechend der sozialdemokratischen Grundwerte für die Rechte von Schutzsuchenden und gegen eine Politik der Abschottung einsetzen.
Wir fordern, dass Sie sich gegen die in den Sondierungsgesprächen getroffenen Vereinbarungen stellen. Diese bedeuten eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik und eine weitere Verschlechterung und faktische Abschaffung des Asylrechts.
Stellen Sie sich gegen die
- Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze
- Aussetzung des Familiennachzugs
- Durchführung einer sogenannten „Rückführungsoffensive“
- Massive Ausweitung der Abschiebehaft
- Durchführung und Ausweitung der Bezahlkarte sowie gegen die Kriminalisierung von solidarischen Aktionen
- Abschiebung nach Syrien und Afghanistan
- Infragestellung der Staatsbürgerschaft von Bürger*innen mit Migrationsgeschichte
- (Total)sanktionen für Menschen in überlebensnotwendigem Leistungsbezug
Warum fordern wir das?
Die migrations- und sozialpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre bereiten uns große Sorgen. Wir beobachten eine beunruhigende Verschiebung des öffentlichen Diskurses:
Migrant*innen werden nicht mehr als Bereicherung und Teil unserer Gesellschaft betrachtet, sondern zunehmend als Bedrohung dargestellt. Diese Rhetorik, die maßgeblich von der AfD geprägt wird, wird leider auch von etablierten Parteien aufgegriffen und hat konkrete Auswirkungen auf das Leben und die Rechte Schutzsuchender. Als Beispiele führen wir hier die sogenannte GEAS-Reform (Gemeinsames Europäisches Asylsystem), das Rückführungsverbesserungsgesetz, die Einführung und Durchsetzung der Bezahlkarte und verschärfte Grenzkontrollen an.
Diese politischen Entscheidungen erschweren Schutzsuchenden den Zugang zu notwendiger Hilfe. Menschen im Asylverfahren erhalten drei Jahre lang keinen angemessenen Zugang zu medizinischer und psychosozialer Versorgung und müssen mit Leistungen weit unter dem Existenzminimum auskommen. Zudem werden Schutzsuchende durch Arbeitsverbote, die Unterbringung in Massenunterkünften und andere Maßnahmen weiter ausgegrenzt und stigmatisiert. Dies steht im Widerspruch zu den immer wieder betonten Integrationsforderungen sowie zu grundlegenden Menschenrechten.
Verschärfte Grenzkontrollen und die GEAS-Reform führen zudem dazu, dass immer mehr Menschen gefährliche Fluchtrouten wählen müssen, um Schutz vor Hunger, Krieg und Verfolgung zu finden. Dadurch steigt das Leid auf der Flucht – täglich sterben im Durchschnitt 8 bis 9 Menschen bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Sollte die geplante Politik umgesetzt werden, ist davon auszugehen, dass diese Zahl weiter steigt.
Immer häufiger wird Migration rhetorisch kriminalisiert, obwohl das Recht auf Asyl als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg verankert wurde, um grundlegende Menschenrechte zu schützen.
Migration und Flucht sind nicht illegal – doch durch die Politik der „Bekämpfung illegaler Migration“ werden rechtliche Wege wie Familiennachzug und Aufnahmeprogramme eingeschränkt. Diese Maßnahmen zwingen Schutzsuchende auf lebensgefährliche Fluchtrouten, beispielsweise über das Mittelmeer. Dieser rhetorischen Kriminalisierung folgen rassistische und terroristische Über- und Angriffe.
Wir hoffen, dass Ihnen die Verantwortung für diesen Diskurs und Schutzsuchende bewusst ist. Die SPD in Schleswig-Holstein hat sich in der Vergangenheit gegen das Abschiebegefängnis in Glückstadt positioniert. Wir fordern, dass diese Haltung auch auf Bundesebene beibehalten wird und Sie sich gegen eine Ausweitung der Abschiebehaft sowie Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan einsetzen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Lage und des populistischen Diskurses befürchten wir, dass kurzfristige Maßnahmen beschlossen werden, die keinen echten Mehrwert bringen, aber für Millionen Menschen großes Leid, Unsicherheit und eine Gefährdung ihrer Würde und Unversehrtheit bedeuten.
Wir bitten Sie daher eindringlich, unsere Sorgen und Forderungen innerhalb Ihrer Partei zu thematisieren und sich in den Koalitionsverhandlungen und darüber hinaus für eine solidarische Migrationspolitik und die Einhaltung von Menschenrechten und Asylrecht einzusetzen. Wir appellieren an Ihr Mitgefühl mit den Betroffenen und an Ihre sozialdemokratischen Grundwerte:
Setzen Sie sich für die Rechte der Schwächsten unserer Gesellschaft ein – auch in herausfordernden Zeiten. Wir zählen darauf, dass Sie sich für eine menschenrechtsorientierte Politik stark machen. Lassen Sie uns gemeinsam für eine solidarische Zukunft eintreten.
Mit freundlichen Grüßen
Erstunterzeichnende:
Seebrücken Schleswig-Holstein
Unterzeichnende:
- Abschiebehaftberatung Nord
- 8-März-Bündnis Kiel
- Afghanischer Stammtisch Verein SH
- Afro-Deutscher Verein Schleswig-Holstein e.V.
- Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Kiel
- ASta FH Kiel
- Attac Flensburg
- Attac Neumünster
- AWO Landesverband Schleswig-Holstein e.V.
- Beifang
- Besuchsgruppe für Menschen in Abschiebehaft Glückstadt
- Bündnis Eine Welt (BEI)
- Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Kiel
- Catcalls of Kiel City
- Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein
- DGB Jugend Kiel
- DGB Jugend Schleswig-Holstein
- Donna Klara – Psychosoziale Frauenberatungsstelle
- Don’t forget Afghanistan
- EmBiPoc
- Fahrradkinokombinat (FKK)
- fem*med Kiel
- Feministische Antifa Kiel
- Flüchtlingsinitiative Sandesneben-Nusse (flisanu)
- Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
- Freiraum Itzehoe e.V.
- GEW Kreisverband Kiel
- Glückslokal e.V.
- Glückstadt ohne Abschiebehaft
- Grüne Jugend Schleswig-Holstein
- HAKI e.V.
- Herzogtum Lauenburg nazifrei
- Hochschulgruppe Bündnis Zivile Seenotrettung der Uni Kiel
- Hoffnungsgrund für Flüchtlinge und Migranten e.V.
- Humanistische Union OV Lübeck
- Jusos Schleswig-Holstein
- Kampagne „Solidarität statt Nationalismus“
- Kiel STOP GEAS
- Kindercafè Kiel e.V.
- Kita Ernestine
- Kraut und Rüben
- kulturgrenzenlos e.V.
- Kultur und Kommunikationszentrum der Hansa48 e.V.
- LAG Autonomer Frauenhäuser Schleswig-Holstein
- Landesvorstand der BUNDjugend Schleswig-Holstein
- LAWA Kiel – lets act with awareness
- Linksjugend [’solid] Schleswig-Holstein
- lifeline Vormundschaftverein e.V.
- Medibüro Lübeck
- Muddi Markt
- Mum & Dad
- Musikoase Wellsee
- OMAS GEGEN RECHTS Kiel im Deutschland-Bündnis
- Palenke
- Perspektive Links
- PETZE Prävention
- Potatoez
- Prinz Willy
- Refugee Law Clinic Kiel e.V.
- Roter Stern Kiel
- Runder Tisch gegen Rassismus & Faschismus
- Schaubude
- schickSAAL – Verein zur Förderung kollektiven
Wirtschaftens e.V. - Sea Eye Kiel
- Seebrücke Flensburg
- Seebrücke Kiel
- Seebrücke Lübeck
- Seebrücke Nordfriedland
- Sisters – Frauen für Afrika e.V.
- Soligruppe Lateinamerika Kiel
- Sonyashny Kiel
- Spielköpfe
- StudentsforFuture Kiel
- Studis gegen rechts Kiel
- Subrosa Kiel Gaarden
- Syrische Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V.
- TurboKlimaKampfGruppe Kiel (TKKG)
- Verein Miteinander leben e.V.
- Verein Toleranz & Zivilcourage (TolZi)
- womenmove
- ZBBS
- Zhina ye Iran – Solidaritätsgruppe für einen freie Iran S-H
- Zum frechen Dachs
- Zwischenfunken e.V.